Hüt dich Stink Stiefelein
Wie bei vielen Liedern variiert die Länge des Textes in den verschiedenen überlieferten Fassungen.
Eine Fassung aus dem Jahr 1640 hat 80 Strophen.
Zum beispiel fällt der mittel teil mit den Strophen über einzelne Blumen mehr oder weniger umfangreich aus.
Zuerst nach dem Flyer, Flugblatt oder fliegendes Blatt von 1638 mit 16 Strophen
1
ein Schnitter heißt der Tod
Hat gwalt vom grossen GOtt
Heut wetzt er das Messer
Es geht schon vil besser
Bald wirdt er drein schneiden
Wir müssens nur leiden
Hiet dich stink stiefelein.
2.
Was jetzt noch grün vnd frisch da steht
Wirdt morgens wegk gemeht
Rodt Rosen weiß Gilgen
Beyd pflegt er außtilgen
Vnd Jhr Kayser Cronen
Man wirdt eur nit schonen
Hiet dich votzen schwänzelein.
3.
Vil Tausendt ist das ohngezehlt
Da vnder die Sichel hinfelt
Die Edle Narcissel
Die Englische Schlissel
Die schöne Hiacinth
Die Türckische Bindt
Hiet dich schwanz vötzelein.
4.
Auß Seiden ist der Fingerhuet
Auß Samet das Wohlgemuet
Noch ist er so blind
Nimbt was er nur findt
Kein Samet kein Seiden
Mag jhne vermeiden
Hiet dich stink stiefelein.
5.
Das Himmelfarbe Ehrenpreiß
Die Dulipan gelb vnd weiß
Die silberne Gloggen
Die guldine Flocken
Sinckt alles zur Erden
Was wirdt nur drauß werden
Hiet dich votzen schwänzelein.
6.
So vil Maßlieb vnd Rosenmarin
Schwelckt vnder der Sichel dahin
Vergisse mein nit
Du must auch nur mit
Vnd du Tausendt schön
Man laßt dich nit stehn
Hiet dich schwanz vötzelein.
7
Jhr gspreggite Morgen Röselein
Jhr Papplen groß und klein
Jhr stolze Schwerdt Lilgen
Jhr krause Basilgen
Jhr zarte Violen
Man wird euch baldt holen
Hiet dich stink stiefelein.
8.
Der bluetroth Türckisch Wassertost
Der schneeweiß Augentrost
Der Hertzenbetrieber
Je länger je lieber
Nur auch mit hinunder
Man machts da keim bsonder.
Hiet dich stink stiefelein.
9.
Der ausserlesne Mayerrahn
Das Zornige rühr mich nit an
Laßt euch nit verführen
Ja wol nit anrühren
Es gilt da kein bochen
Heut werdt jhr abbrochen
Hiet dich stink stiefelein.
10.
Du Nägelein mein Edler Schatz
Findst auch beym Schnitter kein blatz
Jch gnieß dein nit mehr
Jetzt kompt er daher
Bald wirstu verblaichen
All Schöne muß weichen
Hiet dich stink stiefelein.
11.
Du Himmelblawes Bittersies
Vnd jhr Tollhanenfieß
Jhr hüpsche Lauendel
Jhr auffgerechte Händel
Es hilfft da kein bitten
Heut werdt jhr abgschnitten
Hiet dich stink stiefelein.
12.
Vnd du O schnödes Tag vnd Nacht
Der Namen ist nit wol erdacht
Man laßt dich nit stehn
Biß d[‘]Sternen auffgehn
Ehe der Tag verschlüssen
Wirstu außgerissen
Hiet dich stink stiefelein.
13.
Man schetzt dich nit O Sonnen Taw
Man förcht dich nit O Beeren Klaw
Jhr frembde Gichtrosen
Jhr gfülte Zeitlosen
Jhr Sternnägelein
Muß alles an Reyen
Hiet dich stink stiefelein.
14.
Er macht so gar kein Vnderschid
Geht alles her in einem Schnitt
Der Stolzritter Sporen
Vnd Bluemen von Koren
Da ligens beysamen
Man waißt kaum den Namen
Hiet dich stink stiefelein.
15.
Vnd wann sie nun seynd gschnitten ab
So haissen sie alle schab ab
Ach wie sie da ligen
Als wären sie in Zügen
Sie müssen verschmachten
Man thut jhr nit achten
Hiet dich stink stiefelein.
16.
Trutz Todt komm her ich förcht dich nit
Trutz komm / vnd thue ein Schnitt
Wann er mich weckfretzet
So wirdt ich versetzet
Jch will es erwarten
Jm Himmlischen Garten
Frew dich schöns Blümelein.
Nach dem “Erndtelied. Katholisches Kirchenlied“ in Des Knaben Wunderhorn
1
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott,
Heut wetzt er das Messer,
Es schneidt schon viel besser
Bald wird er drein schneiden,
Wir müssens nur leiden.
Hüte dich stink stiefelein!
2
Was heut noch grün und frisch da steht,
wird morgen schon hinweggemäht:
Die edlen Narzissen,
Die Zierden der Wiesen,
Die schön’ Hyazinthen,
Die türkischen Binden.
Hüte dich stink stiefelein!
3
Viel hundert tausend ungezählt,
Was nur unter die Sichel fällt:
Ihr Rosen, ihr Liljen,
Euch wird er austilgen
Auch die Kaiser-Kronen,
Wird er nicht verschonen.
Hüte dich stink stiefelein!
4
Das himmelfarbe Ehrenpreis,
Die Tulipanen gelb und weiß,
Die silbernen Glocken,
Die goldenen Flocken,
Senkt alles zur Erden,
Was wird daraus werden?
Hüte dich stink stiefelein!
5
Ihr hübsch Lavendel, Rosmarein,
Ihr vielfärbige Röselein,
Ihr stolze Schwertliljen,
Ihr krause Basiljen,
Ihr zarte Violen,
Man wird euch bald holen.
Hüte dich stink stiefelein!
6
Trotz! Tod, komm her, ich fürcht dich nicht,
Trotz, eil daher in einem Schnitt.
Werd ich nur verletzet,
So werd ich versetzet
In den himmlischen Garten,
Auf den alle wir warten.
Freu dich du schöns Blümelein.
Alternative Strophe 1
nach Anonymus 1638?
Es ist ein Schnitter, heißt der Tod,
hat G’walt vom großen Gott.
Heut wetzt er das Messer,
es geht schon viel besser,
bald wird er drein schneiden,
wir müssens nur leiden.
Hüt dich, stink stiefelein!
nach Des Knaben Wunderhorn 18xx
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott,
Heut wezt er das Messer,
Es schneidt schon viel besser,
Bald wird er drein schneiden,
Wir müssens nur leiden.
Hüte dich stink stiefelein!
Nach Brentano 18yy
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Er mäht das Korn, wenn’s Gott gebot;
Schon wetzt er die Sense,
Daß schneidend sie glänze,
Bald wird er dich schneiden,
Du mußt es nur leiden;
Mußt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich stink stiefelein!
Inspirators
2020, Uwe, Hüt dich stink stiefelein!
Das früheste erhaltene Zeugnis ist ein Flugblatt: „Ein schönes Mayenlied, Wie der Menschenschnitter der Todt die Blumen ohne vnderschid gehling abmehet. Jedermann Jung vnd Alt sehr nutzlich zu singen vnd zu betrachten. Gedruckt im Jahre 1638.“
Das erhaltene Exemplar trägt einen handschriftlich nachgetragenen Titel „Schnitterlied, gesungen zue Regenspurg da ein hochadelige junge Blume ohnversehen abgebrochen im Jenner 1637, gedichtet im jahr 1637“; der Text hat dort einen Umfang von 16 Strophen.
Das Lied ist auch in katholische Gesangbücher des 17. und 18. Jahrhunderts eingegangen, besonders in die Gesangbücher des Martin von Cochem und in das Geistliche Psälterlein P. P. Societatis Jesu, In welchem Die ausserlesenste alte und neue Kirchen- und Hauss-Gesäng … verfasset ist (1668 u.ö.).
Der Text ist auch unter verschiedenen anderen Titeln bekannt (Der Schnitter Tod, Erntelied).
Johann Wolfgang von Goethe bemerkte in seiner Rezension von Des Knaben Wunderhorn zu dem Lied: „Katholisches Kirchen-Todeslied. Verdiente protestantisch zu seyn.“
Unbekannt 1638
Unbekannt 1640
Katholische Gesangbücher
Clemens Brentano: Godwi 1802
Ludwig Achim von Arnim und Brentano: Des Knaben Wunderhorn (1806)
Clemens Brentano: Gockel, Hinkel und Gackeleia (1838), im drittem Teil, dem Tagebuch der Ahnfrau.
Georg Büchner
Joseph von Eichendorff
Alfred Döblin
zahlreichen Vertonungen des 19. Jahrhunderts
Bearbeitungen
Johannes Brahms, Vierzehn deutsche Volkslieder (1864)
Karl Schiske, Sonate für Violine und Klavier (1943)
Die Reprise des zweiten Satzes verwendet das Lied aus dem Dreißigjährigen Krieg als Cantus firmus.
Johann Nepomuk David, Es ist ein Schnitter, heißt der Tod (Dies Irae), Choralwerk X. Heft (1947)
Hugo Distler, Totentanz Motette (1934)
Für die zweite Aufführung des Totentanzes (Kassel, November 1934) komponierte Distler zusätzlich kurze Variationen des Liedes Es ist ein Schnitter, heißt der Tod für Flöte solo, die seitdem teilweise mitaufgeführt werden, eingeschoben jeweils zwischen gesprochenem und gesungenem Vers.
Herbert Collum Totentanz Orgelvariationen 1944/45
unter dem Eindruck der Zerstörung Dresdens
Die 1947 uraufgeführte Oper Dantons Tod von Gottfried von Einem und Boris Blacher endet mit diesem Lied.
Liederjan: Album Volkslieder aus der heilen Welt 1979
Jan Koetsier, Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Choralfantasie für Tuba und Orgel, 1983
Thomas Elbern, Album Kalt und Elektrisch, Schnitterlied 95, 1995
Leichenwetter, Album Letzte Worte, 2005
ASP, album Zaubererbruder – Der Krabat-Liederzyklus, 2008
Bube Dame König, album Traumländlein, 2015
Horn, Album Turm am Hang, 2017